Carwash

Kurzkrimi

Diese jungen Dinger. Wie dumm sie waren. Und so entsetzlich naiv! Da stand schon wieder so eine halbnackt am Straßenrand und hielt den Daumen hoch. Herbert stand auf diese kleinen, knackig runden Brüstchen. Er sah sie zu gerne, diese jugendlich, festen Beine unter diesen kurzen Röckchen. Letztlich waren sie doch allesamt selber schuld. Am helllichten Tag glaubten sie, ihnen könnte nichts geschehen. Aber sie kannten Herbert nicht. Und wie sie sich freuten, wenn ein Taxi anhielt und sie umsonst mitnahm. Da fühlten sie so sicher wie in Abrahams Schoß. Das war seine Goldcard.

Herbert brachte den Wagen ziemlich weit hinter der Tramperin zum Stehen. Er schaute in den Rückspiegel. Sollte sie doch ordentlich laufen und die kleinen Dinger hüpfen lassen, sozusagen als Aperitif.

„Ein Taxi! Da hab ich richtig Schwein gehabt“, rief die Kleine fröhlich und schwang sich auf den Beifahrersitz.

„Außer Dienst, versteht sich. Wo soll’s denn hingehen?“

„Pinneberg.“

„Und nochmal Glück gehabt.“ Herbert trat fröhlich aufs Gas und fädelt sich zurück in den Verkehr ein. Jetzt kam das Special: „Macht es dir was aus, wenn wir erst noch durch die Waschstraße fahren. Dann hab ich den Wagen morgen sauber.“

„Oh, überhaupt nicht. Das wird bestimmt witzig.“

Damit gingen sie ihm alle auf den Leim. Aber dies Exemplar hier war von besonderer Blödheit. Die freute sich auch noch darauf. Na, das würde eine Überraschung geben. Wenn sie erst mal merkte, was er für ein schlimmer Finger war und die Bürsten den Wagen versiegelt hatten, dann saß sie in der Falle.

Herbert bog auf die nächste Tankstelle ein. Wunderbar, die Waschanlage war leer. Nicht, dass es etwas geändert hätte wenn da noch andere Wagen gestanden hätten. Aber so war er sofort an der Reihe. Die Kleine neben ihm war wirklich ein ganz heißes Geschoß, und es juckte ihn mächtig in den Fingern.

Kaum senkten sich die Bürsten über die Motorhaube, da drehte sich Herbert auch schon zu seiner kleinen Anhalterin herum. Sein hämisches Grinsen schien sie wenig zu beeindrucken.

„Mach dich schon mal frei, Pappi kommt gleich!“ grunzte er zu ihr rüber. Er kannte diesen überraschten Gesichtsausdruck nur zu gut, und er bereitete ihm jedes Mal eine höllische Freude. Da, jetzt hatte sie kapiert, was er wollte!

„Kein Lust und keine Zeit“, sagte sie tonlos. So ein abgebrühtes Luder. Herbert warf den Kopf zurück und wollte sich vor Lachen ausschütten. Als sein Blick wieder die Kleine streifte verschluckte er ziemlich schnell den Rest seines Lachens, denn er schaute genau in den Lauf eine vernickelten 45er. Herbert fing sich rasch wieder. „Glaubst du im Ernst, du kannst mich mit so ‘ner Tränengasspritze aufhalten?“

„Ne. Aber das hier ist ’ne 45er und die macht ein hässliches kleines Loch vorne und viel Dreck hinten. Du wolltest den Wagen doch morgen früh sauber haben, oder?“

Gott, die Kleine hatte es wirklich faustdick hinter den Ohren. Und wie cool sie dabei blieb! Herbert sah sich die Waffe genauer an. Er schaute in den Lauf. Keine Kreuzlaufsperre. Verdammt, die Knarre war wirklich echt.

„Gut“, sagte er, um die Kleine nicht zu einer unnötigen Panikreaktion zu provozieren. „Alles klar. Ich lasse dich in Ruhe, okay? Kannst gleich hinter der Waschstraße raus. Überhaupt kein Problem. Man muss auch mal verlieren können, in Ordnung?“

„Blödmann, darum geht es doch gar nicht! Wenn mich mein Glück jetzt nicht verlassen hat, dann hast du die Tageseinnahmen noch nicht zur Bank gebracht!?“

„Wie bitte?“

„Guck nicht so blöd! Besser als drei magere Geldbörsen. So ein Glück, dass da ein Taxi anhält. Fährt in eine verdammte Waschstraße, so was von Glück! – Guck nicht so brege und rück jetzt endlich die Kohle raus!“

Herbert konnte es nicht fassen. Was hatte er da für eine falsche Schlange an seiner Brust genährt? Er, als Menschenfreund, lässt sie nicht auf der Straße stehen, nimmt sie ein Stück mit, und sie dankt es ihm, indem sie ihn ausnehmen will! Das war zu viel, Herbert sah rot.

„Ich glaube du spinnst!“ rief er und griff nach der Waffe. Er schaffte es gerade noch, sie ein wenig herunter zu drücken, bevor sich der Schuss löste. Daher drang die Kugel in seiner Lendengegend ein.

„Verdammter Idiot“, schrie die Passagierin in Herberts blöde dreinschauendes Gesicht. Er konnte gar nicht glauben, dass das passiert war. Aber er brauchte auch gar nicht mehr lange darüber nachdenken. Der zweite Schuss blies sein bisschen Kleinhirn ans Seitenfenster, wo die Bürsten gerade mit Polieren beschäftigt waren. Leider nur von außen.

Die Tramperin verließ sofort fluchtartig den Wagen. Auf dem Mechanikerlaufsteg lief sie zurück und wollte gerade die Tankstelle verlassen, als zwei Männer in den am Ende der Waschstraße stehengebliebenen Wagen schauten.

„Sie hat ihn erschossen!“ schrie einer von ihnen. Sofort wimmelte es auf der Tankstelle von Bullen. Sie jagten hinter der Frau her und nahmen sie fest. „Verdammt ich hab gar nicht gemerkt, wie sie hinten wieder rauskam“, sagte der Polizist, der ihr die Handschellen anlegte.

Kommissar Hoppe sah dem jungen Mädchen ins Gesicht. Da entdeckte er noch die Angst, die ihr in den Knochen gesteckt hatte. Aber sie konnten sie ja vorher nicht warnen. Sie mussten ihn mit der Hand in der Bluse erwischen, sonst hätte es keinen Zweck gehabt. Keines der Mädchen hatte bislang ausgesagt. Und auch dieses arme junge Ding hätte eine Aussage auch nicht fertiggebracht. Aber sie hätten ihn schnappen können diesmal, auf frischer Tat, wenn sie nur ein wenig schneller zugegriffen hätten. Doch unter diesen dämlichen, rotierenden Bürsten und all dem Schaum war ja nichts zu erkennen gewesen.

„Nun mal keine Panik Mädchen, dir passiert ja nichts. War ja Notwehr. Wenn nötig, bezeuge ich das höchstpersönlich. Dein Glück, dass du die Waffe unter dem Sitz gefunden hast. Hat dir einiges erspart. Aber auch einigen Ärger eingebrockt. Na ja, das kriegen wir schon hin?! Gib mir jetzt mal lieber die Pistole!“

Wortlos überreichte die Frau dem Kommissar die Waffe. Der nickte und steckte sie in die Manteltasche. Kollege Bratschik schlug dem Kommissar von hinten auf die Schulter. „Ordentliches Mädel, die Kleine. Hat noch die Nerven gehabt, die Waffe wieder unter den Sitz zu legen. Hier, sie lag da, wie unberührt.“

Kommissar Hoppe betastete die Waffe in seiner Tasche und warf einen langen Blick auf die Tramperin. Irgendetwas war hier reichlich faul. Er konnte sich aber noch nicht entscheiden, ob er das wirklich wissen wollte. Erst mal schob er Herberts Waffe zu der anderen in seiner Tasche, und es schien ihm noch sehr fraglich, wie viel Pistolen er auf dem Kommissariat da wieder herausziehen würde.

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