Die Frau des Gynäkologen

Es war wieder mal ein langer Donnerstag gewesen. Kein Mensch konnte Kurt erklären, warum gerade am Donnerstag die meisten Pilzinfektionen auftraten. Das konnte, wenn man die Inkubationszeit mitrechnete vielleicht an der zeitlichen Distanz zum Wochenende liegen. Aber andererseits waren manche dieser Infektionen derart fortgeschritten, dass sie wohl kaum ihre Initialzündung dem Vergnügen am vorhergegangenen Samstag verdankten. Vielleicht gaben sich diese Frauen auch der irrigen Hoffnung hin, dass sie diese unangenehme Erscheinung bis zum folgenden Samstag noch in den Griff bekamen, weil die berechtigte Aussicht bestand, dass irgendein glücklicher Kerl noch an diesem Abend erst sich selbst und dann seiner eigentlichen Partnerin neue Mitbewohner mit ins Haus brachte.

„Na, war schlimm, heute?“ fragte seine Frau Sybille mitfühlend, während sie das Essen auftischte.

„Zunge?“ fragte Kurt.

„Ja, Zunge.“

„Schon wieder“, hakte Kurt leicht genervt nach. Kurt mochte Zunge, aber woher Sybille diese Vorliege für Rinderzungen nahm, war ihm ein Rätsel. Sie kochte mindestens zweimal die Woche Zunge.

„Wenn du mir hin und wieder mal deine widmen würdest, dann gäbe es vielleicht auch öfter mal ein Steak.“

Oh, Gott, nicht schon wieder, dachte Kurt. Dieses leidige Thema. Hätte er bloß den Mund gehalten und seine Zunge in die Weißweinsoße getunkt. Sybille begriff einfach nicht, dass man nach 10 bis 12 Stunden Vis-a-vis mit dem Scheidenpilz einfach keine Lust auf Oralverkehr hatte. Es kam Kurt öfter mal in den Sinn, dass Sybille damals vielleicht recht gehabt hatte, als sie ihm riet lieber in Richtung Zahnmedizin zu gehen. Jedenfalls war nach 6 Jahren als Gynäkologe sein Interesse an weiblichen Geschlechtsorganen ein für alle Mal gestillt und er wünschte sich nichts mehr als abends neben einer gut gekleideten Frau vor dem Fernseher einzuschlafen.

„Den ganzen Tag steckst du deinen Kopf zwischen die Beine irgendwelcher Frauen, aber, wenn ich abends mal ein bisschen Aufmerksamkeit für meine Uschi wünsche, machst du den Angewiderten!“ jammerte Sybille.

Irgendwie verstand er sie ja, aber sie musste doch auch seinen Standpunkt sehen.

„Das ist ja so: Du würdest doch von einem Bäcker auch nicht erwarten, dass der applaudiert, wenn du mal einen Kuchen backst, oder?“

„Ein Bäcker backt Brot oder kleine Brötchen, was du meinst ist ein Konditor.“

Klasse jetzt waren sie schon beim Besserwissen, Kurt ahnte schon, dass er diesen Abend nicht ohne einige Herrengedecke überstehen würde. Sybille war ganz klar auf Krawall gebürstet.

„Was hast du denn gegen meine Möse?“

„Was ich gegen ... Gar nichts natürlich. Wir sind jetzt 12 Jahre verheiratet, und das bestimmt nicht, weil ich nur an Sex interessiert bin. Ich sehe jeden Tag zwanzig bis dreißig Vaginen und das bis in den letzten Winkel ihrer Existenz. Ich hab einfach die Nase voll. Verstehst du das nicht?“

„Nein, das verstehe ich nicht. Ich denke das ist rein beruflich. Die einzige Pussy, die dich wirklich interessieren sollte, privat meine ich, ist ja wohl meine!“

„Das ist ja auch so“, beharrte Kurt gestresst. „Aber, wenn du sehen müsstest, was ich sehe, dann hättest du auch keine Lust, da mit der Zunge ranzugehen.“

„Das ist ja in Ordnung, aber kein Grund mich nicht regelmäßig traditionelle Art zu nehmen. Ich will dir mal was über diese Dinge sagen, die du den ganzen Tag anstarrst, die sind nicht nur für Krankheiten da. Was du siehst ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem was damit alles möglich ist. Du siehst doch eine Vagina nur noch als möglichen Krankheitsherd! Aber Gott hat diese Dinge gemacht, damit wir Spaß damit haben.“

„Jetzt fang mir nicht wieder mit Gott an. Das hatten wir schon oft genug. Gott hat die Vagina ganz sicher als Strafe und bestimmt nicht zum Vergnügen geschaffen. Denk doch mal an den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies! Unter Schmerzen sollst du gebären, Weib! Das ist ja wohl auch der Grund, warum sich dort so viele Krankheiten anfinden. Also fang nicht wieder an, meinen Glauben zu verspotten, ja!“

„Ja, ja, du bist Gynäkologe geworden, um die Strafe Gottes zu lindern. Ich weiß. Dann werden wir wohl weiter zweimal die Woche Rinderzunge essen.“

„Was hat das denn damit zu tun? Meinst du, du kannst mich über das Essen bestrafen? Außerdem esse ich Zunge gern!“

„Geht doch nicht ums Bestrafen“, stellte Sybille resigniert fest. „Aber ich kann doch die ganzen Zungen hinterher nicht einfach wegwerfen.“

„Wieso hinterher wegwerfen?“ fragte Kurt begriffsstutzig und ahnte im nächsten Moment, dass er die Antwort jetzt lieber nicht hören wollte.

„Na, was denkst du denn, wo die Zunge war, bevor sie auf deinem Teller gelandet ist?“

Kurt schwieg, weil ihm in diesem Moment klar wurde, wo die Zunge vorher gewesen war.

„Ich habe dir versprochen, dass ich niemals fremd gehe und dass ich auch technischen Hilfsmittel benutze, wegen deines Glaubens und so. Aber ich habe nicht versprochen, dass ich es hinnehme gar nicht mehr befriedigt zu werden.“

„Du führst die ein?“ Kurt war fassungslos, obwohl er in Laufe seiner Berufspraxis Sachen aus dem Gebärmutterhals gefischt hatte, für die er beim besten Willen keinen Zusammenhang zu irgendeinem sinnvollen Verbleib im Intimbereich hätte herstellen können. Aber eine Rinderzunge war ihm dabei noch nicht untergekommen.

„Aber ja. Ich bin kurz davor, sie als vollständigen Ersatz zu akzeptieren. Sie ist rauh, weich und fühlt sich so an, wie es sein sollte. Gut, sie leckt mich nicht selbstständig, dafür aber wann und wo ich will!“

Eigentlich war Kurt seit Gesprächsbeginn darauf vorbereitet schockiert zu werden, Sybille schlug in solchen Situationen gerne mal über die Strenge, aber das hier ging deutlich zu weit. Selbst als Provokation.

„Du machst das doch nicht wirklich!?“ sagte Kurt im Anflug von Verzweiflung.

Sybille grinste breit und gehässig. „Da kannst du drauf wetten! Willst du mal zusehen, wie es mir so ein toter Ochse richtig besorgt?“

Kurt hasste es, dass seine Frau in solchen Momenten immer so ordinär wurde.

„Du wäscht die doch wenigstens gut ab?“ fragte er und war selbst erstaunt, dass ihn der Beruf so gar nicht loslassen wollte. „Ich meine, ... Gott, weißt du wie viel Keime da drauf sind?“

„Keime, Keime, deine Welt besteht nur noch aus Keimen?“

„Weißt du, wie das aussieht, wenn du da eine Sepsis kriegst?“ fragte Kurt, der jetzt in seinem Element war. „Willst du das mal sehen?“

„Oh Gott! Daran habe ich gar nicht gedacht! Kannst du mal nachsehen, ob da alles in Ordnung ist?“ schwenkte Sybille erschreckt um. Sie schob seinen leeren Teller beiseite und setzte sich auf den Esstisch. Dann spreizte sie die Beine. Das war natürlich nicht die optimale Situation. Es wäre ihm lieber gewesen, er sie wäre in seine Praxis gekommen. Auf den Stuhl.

„Wie kann man nur so blöd sein!“ fuhr er Sybille an. „Eine tote Zunge, Herrgott!“ Dann konzentrierte er sich auf die Vagina seiner Frau, die sich vor seinen Augen auftat. „Wie kann man nur so blöd sein!“ wiederholte er noch einmal kopfschüttelnd.

Kurt verstand nicht wie man da noch lachen konnte.

„Blöd bist ja wohl du!“ Sybille schlug überraschen die Beine zusammen und presste seinen Kopf mit beiden Händen zwischen ihre Schenkel.

Viel Gegenwehr konnte Kurt in dieser Situation nicht mehr leisten. Er versucht sich da irgendwie raus zu winden, aber es ging nicht. Sybille nutzte seine Lage gnadenlos aus. Kurt ließ sich vom Stuhl fallen, aber sie blieb drauf, wie eine erfahrene Rodeo-Reiterin. Das alles führte nur dazu, dass Kurt jetzt auf dem Boden lag und Sybille fast auf seinem Gesicht saß. Die Chancen sie abzuwehren waren dadurch deutlich gesunken.

Kurt hielt den Mund fest verschlossen, in der Hoffnung möglichst wenig ihrer Bakterien auf seine Mundschleimhäute gelangen zu lassen, aber der Ausfluss ihrer Körperflüssigkeiten vermehrte sich so dramatisch, dass seine Nasenschleimhäute und selbst seine Augen davon sicherlich schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden. In der Theorie war ihm klar, wie viel Flüssigkeit so eine Frau in Ekstase produzieren konnte, aber hiervon wurde er jetzt doch empirisch überrascht.

Während ihr Körper seine spontanen Spasmen langsam einstellte und Zufluss an gefährlichen Flüssigkeiten wieder ein normales Niveau erreichte, fing Kurt an seine Frau zu hassen.

Sybille ließ sich erschöpft und irgendwie befriedigt von ihm gleiten. „Du wirst noch lernen, wie man eine Pussy richtig behandelt“, stöhnte sie leicht atemlos. „Das schwöre ich dir!“

Erstaunlicherweise war ihre Wut wohl immer noch nicht völlig verraucht. Kurt stand auf, als sie von ihm abgelassen hatte und holte sich einen Schnaps. Zum Desinfizieren von Körper und Geist. Er sah seine Frau auf dem Boden liegen und ihre Hand, die immer noch an ihrer Klitoris herumfummelte, obwohl die doch längst synaptisch taub sein musste. In diesem Moment wurde Kurt klar, dass er Frauen nicht mochte. Keine Frauen.

Da Sybille ihn nicht weiter beachtete, sah sie auch nicht, wie er aus der Küche das große Fleischmesser holte. Er wollte nicht, dass sie unnötig litt, deswegen sah er zu, dass die Klinge sauber zwischen den Rippen eindrang und ihre vorderen Herzkammern durchtrennte. Es war kaum nötig ihr lange den Mund zuzuhalten. Und es war ja noch genug Zeit das herauszuschneiden, was Gott nicht wirklich vorgesehen hatte und was sie nicht mehr vom Tier unterschied.

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