Die Ferienwohnung

Kurzthriller

Sein Mund war trocken. Ein leichter Geschmack nach Eisen machte sich auf seine Zunge breit. Mühsam öffnete er die Augen. Er hatte tief, sehr tief geschlafen. Das Halbdunkel blendete ihn, aber allmählich wurde das Bild scharf und sein Gehirn fing an wieder zu arbeiten. Inmitten des Strohs formten sich Waden. Waden, die er kannte. Das waren Karins Waden. Thomas versuchte zu schlucken, er wollte diesen Eisengeschmack aus dem Mund kriegen. Aber seine Zunge klebte nur an seinem Gaumen fest. Es war einfach nicht genug Spucke da.

Thomas wollte seinen Kopf heben, um nach seiner Frau zu sehen, doch so einfach war das nicht. Die Muskulatur weigerte sich seinem Willen Folge zu leisten. Karins Waden ragten nur zwei, drei Meter vor ihm aus dem Stroh. Noch einmal versuchte er den Kopf zu heben. Zentimeterweise setzte der Erfolg ein. Sein Kopf schien das Stroh auf dem er lag magnetisch anzuziehen. Sein Gesicht fühlte sich klebrig an und seine Glieder waren wie taub. Er hörte sich selbst stöhnen. Oder war das Karin gewesen? Er sah zu ihren Waden hinüber, mehr konnte er von ihr nicht sehen. Aber die hatten sich keinen Millimeter bewegt. Er bemerkte das Blut an seiner Hand, die versuchte nach vorn zu greifen und er wusste, dass etwas Schreckliches passiert war. An Karins Waden konnte er kein Blut sehen, aber er war sich sicher, dass sie tot war.

Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Eigentlich wollten sie Reitferien machen und waren auf der Suche nach einer Ferienwohnung gewesen. Im Dorf selbst war alles ausgebucht und so waren sie einfach in der Gegend herumgefahren, auf der Suche nach einer Unterkunft für die nächsten Tage. Ein kleines handgemaltes Holzschild hatte sie hierher in den Wald gelockt. Der alte Bauernhof sah nicht wirklich saniert aus und wirkte wirklich nicht besonders einladend. Aber Karin bezeichnete das als urig. Er wollte lieber gar nicht wissen, welche sanitären Einrichtungen ihn hier erwarteten.

Natürlich hatte Karin sich durchgesetzt. Man konnte ja wenigstens mal fragen und der Hof war immer noch in Reichweite des Gestüts, wo Karin unbedingt mal diese Fjordpferde reiten wollte. Reiten ist Reiten war Thomas Meinung. Warum nicht einfach zu einem anderen Gestüt fahren. Nun, Karin hatte halt ein ernsthaftes Faible für das Urige.

Der alte, fast zahnlose Bauer hatte ihnen die Tür geöffnet und nicht einmal „Guten Tag“ gesagt. Ohne sie eines ernsthaften Blickes zu würdigen, hatte er sich grußlos in den Flur umgedreht und in das Dunkel hinter sich gerufen: „Martha, Gäste!“

Anschließend war der ungepflegte Einsiedler in seiner Cordhose und dem vermutlich dank neuer Mikrofasern schmutzresistenten Karohemd wortlos im Flur verschwunden.

Martha machte auch nicht gerade den Eindruck eines gealterten Models. Sie trug Wollsocken über der Nylonsstrumpfhose, einen farbgeschwächte, groben Rock mit Blumenmuster und eine Strickjacke mit mehr Löchern als Maschen.

„Sie suchen ein Zimmer?“

Thomas hatte das als Frage verstanden, aber so war das wohl nicht gemeint gewesen.

„40 Euro die Nacht, mit Frühstück!“

Karin schien sich keinerlei Gedanken zu machen, wie sie so ein Frühstück, ohne Antibiotika als Nahrungsergänzung wohl überleben sollten. Hier schwirrten ihnen die Fliegen in Schwärmen um die Köpfe. Karin schien sich generell keine Gedanken um solche Dinge zu machen. Aber zuhause bekam sie hysterische Anwandlungen, wenn er abends mal vergaß die Riegel bei der Wohnungstür zu verschließen. Aber hier war Sicherheit wohl kein Thema.

„Ein Woche würden wir bleiben!“ erklärte Karin und folgte der Frau in den Flur.

Es ging eine steile, knarrende Stiege ohne Licht und sicherem Geländer hoch.

„Hier ist ihr Zimmer!“ sagte die Bäuerin und öffnete eine Tür, indem sie mit dem Fuß an die Unterkante der Tür trat, während sie gleichzeitig die Klinke herunter drückte. Die Tür ging auch nicht ganz auf, weil dahinter ein Läufer den Weg versperrte.

„Hübsch!“ stellte Karin fest, ohne sich auch nur im Mindesten zugesehen zu haben.

„Ist kein Hotel hier!“ stellte Martha klar.

„Aber urig“, beruhigte Karin die Frau.

Gern hätte Thomas noch ein Wort mit seiner Frau gewechselt, bevor das Geld von einer Hand in die andere wanderte und sie unzweifelhaft Mieter dieser Bruchbude geworden waren. Aber dafür war es schon zu spät. Thomas musste erst noch das Gepäck holen, bevor er das ganze Ausmaß dieser Katastrophe begutachten konnte.

Es war weit schlimmer, als er auf den ersten Blick vermutet hatte. Die Tapeten lösten sich von den feuchten Wänden und bildete leichte Wellen. Zwei der Fensterscheiben waren gebrochen, was aber nicht so dramatisch war, weil die aufgequollenen alten Holzrahmen sowieso nicht dicht schlossen. Vom Dreck auf dem Boden, den zerrissenen Vorhängen und den wackeligen Stühlen mal abgesehen, stand Thomas der Anblick des kleinen Badezimmers, das zudem noch auf dem Flur lag, schmerzhaft bevor.

Doch dazu kam es dann ja gar nicht mehr.

„Sie sollen Ihr Auto in die Scheune fahren. Der Bauer muss mit dem Trecker raus“, sagte Martha, die ohne anzuklopfen wieder in ihrem Zimmer erschienen war.
Thomas holte tief Luft, um dieser Bäuerin mal die Meinung zu sagen.

„Mein Mann kommt sofort“, kam ihm Karin mit sanfter Stimme zuvor, die aber auch keinen Zweifel daran ließ, dass sie nicht bereit war über diese Sache zu diskutieren.

Warum das Auto in die Scheune sollte, verstand Thomas nicht wirklich, aber vielleicht würde es ihm ja der grimmig dreinschauende Bauern ihm irgendwann erklären. Der Mann schien wenig begeistert davon zu sein, Gäste im Haus zu haben.

Die Scheune war riesig und Thomas stellte den Wagen einfach mitten rein. Platz war hier wirklich mehr als genug. Da konnte man keinem Trecker mehr im Weg stehen.

„Passt das so?“ fragte er so freundlich er konnte.

Der Bauer war ernsthaft Kommunikationsgestört. Thomas wartete vergeblich auf eine Antwort. Vielleicht hatte er sie auch einfach nicht mehr gehört, weil er in diesem Moment das Bewusstsein verloren hatte.

*

Was genau passiert war konnte Thomas sich nicht erklären, aber er hatte ja das Bewusstsein wiedererlangt und starrte verwirrt auf Karins unbewegliche Waden im Stroh. Mit den Händen versuchte Thomas sich ein wenig vorzuziehen, um endlich nach seiner Frau sehen zu können, aber sein Fuß schien irgendwo festzuklemmen. Auch sein Rücken schmerzte. Trotzdem schaffte er es irgendwie an seinem Bein hinunter zu gucken. Ein schwerer eiserner Ring, an einer noch schwereren Kette, war um sein Fußgelenk gelegt worden.

Er war nicht einmal in der Lage den Eisenring mit der Hand zu erreichen. Wenigstens wurde sein Blick nun wieder klarer und er erkannte, dass er hoch oben auf dem Boden der großen Scheune liegen musste. Das Licht war dämmrig und die letzten Sonnenstrahlen, fielen durch die Ritzen im Dach und den Lücken in den Wänden herein. Der Staub tanzte in den Lichtstrahlen und Thomas musste niesen. Sein Heuschnupfen zerriss ihm fast den Brustkorb und es fühlte sich so an, als ob das Gehirn bei jedem Niesen an seine Gefäßwände schlug.

Thomas hätte sich gern von den Schmerzen erholt, aber unten hörte er Stimmen und er musste schnellsten seiner Frau helfen.

„Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr irgendwann erwischt werdet.“

„Hör doch auf. Wer soll uns schon erwischen. Du bist so ein richtiger Stadtschisser geworden.“

„Hört auf zu streiten. Jetzt ist zu spät und wir müssen uns um unsere Gäste kümmern“, beendete Martha den Streit zwischen den beiden Männern.

Thomas nahm seinen gesamten Willen zusammen, ignorierte die Schmerzen an seinem Fußgelenk und griff nach den Beinen seiner Frau. Er erwischte nur ihre Fußsohle, doch das schien sie zu kitzeln, denn ihre Beine erwachten zu Leben. Gott sei Dank.

„Gut, ich schaffe jetzt den Wagen weg und ihr baut das Schild ab, zumindest für die nächsten zwei Wochen.“

Es war die Stimme eines deutlich jüngeren Mannes, der offenbar von dem Geschehen äußerst genervt war. Was er gesagt hatte, beunruhigte Thomas aber zutiefst. Wenn sie sein Auto wegbrachten, gingen sie wohl nicht davon aus, dass er und seine Frau noch lebten.

„Karin“, zischte Thomas leise. Doch eigentlich war es nur ein undeutliches Gurgeln. Thomas spukte das Blut in seinem Mund aus und versuchte es noch einmal. „Karin!“

Ein jämmerliches Stöhnen war die Antwort.

„Karin!“ versuchte Thomas etwas lauter zu rufen. Aber statt einer Antwort, trat ein schwerer Holzschuh auf seine Hand, die er seiner Frau entgegengestreckt hatte. Thomas hatte die Wollsocken schon einmal gesehen und erkannte sie sofort wieder.

„Halt dich zurück, Jüngelchen!“

Thomas sah auf. Bei dieser Beleuchtung, sah die alte Bäuerin mit ihrem dicken Bauch ziemlich unheimlich aus. Sie beugte zu ihm herunter griff ihm an sein Kinn. Das tat an sich schon höllisch weh, aber als sie auch noch mit ihren hornverhärteten Finger zudrückte, schrie Thomas auf vor Schmerz.

„Komm schon hoch, du Weichei!“ befahl sie und half ihm schmerzhaft auf. Kurz darauf saß Thomas auf dem verstreuten Stroh und sah, dass er an der linken Hand und dem rechten Fuß mit einer Kette an einen der Stützbalken gefesselt war. Der Bauer stand unmittelbar hinter seinem Weib. Er hielt einen dicken Knüppel in Hand, vermutlich den Stil einer Axt. Karin lag bäuchlings auf einem Strohballen. Sie war völlig nackt und ihre Hände waren vorne wohl an eines der Trenngitter gebunden. Sie schien wach, aber nicht voll bei Sinnen, zu sein.

„Soll ich ihn weghauen?“ fragte der Bauer und hob den Knüppel etwas an.

„Nein, noch nicht“, sagte die Bäuerin. „Wir brauchen ihn noch. Wer weiß ob sie beide Zahlen kennt.“

Der Bauer grunzte, wie eine Sau auf Futtersuche und sah zu Karin hinüber.

„Von den jungen Dingern kriegt er nie genug!“ kicherte die Bäuerin. Und bevor Thomas verstand, was sie meinte, hatte der Bauer seine Hose geöffnet und begann sich von hinten an seiner Frau zu schaffen zu machen.

„Nein!“ schrie Thomas und sein Herzschlag pumpte das Blut pochend in alle offenen Wunden. „Lass die Finger von meiner Frau, du Schwein.“

Doch der Bauer grinste nur breit und drückte sich wenig einfühlsam in seine Frau hinein.

„Du Sau, ich ...“ Wenn Thomas wenigstens eine Drohung eingefallen wäre, die er auch hätte in die Tat hätte umsetzen können ..., aber so?

„Lass dem alten Mann doch das bisschen Freude!“ Er hatte nicht mitbekommen, dass diese Martha inzwischen nach dem Knüppel gegriffen hatte. Man konnte auch nicht sagen, dass er ihn wirklich hatte kommen sehen, oder, dass er gespürt hätte, wie er frontal auf seine Stirn traf. Nein, es war einfach nur wieder dunkel geworden.

*

Als Thomas diesmal wieder aufwachte, hatte er etwas weniger Mühe sich zurechtzufinden. Er saß an den Balken gelehnt. Seine Frau stöhnte von der Last auf ihrem Rücken, aber es war nicht der alte Bauer, der sich da an ihr verging. Ein deutlich jüngerer Mann, städtisch gekleidet, war jetzt über seine Frau hergefallen. Der gehörte hier sicherlich nicht hin.

„Wie der Vater, so der Sohn!“ Thomas konnte nicht glauben, dass es dieser blöden Bäuerin nichts ausmacht, dass ihre ganze Sippe, sich mit seiner Frau vergnügte. Thomas jedenfalls machte es etwas aus, aber tun konnte er nichts dagegen. Er sah den Knüppel in der Hand der Bäuerin und wagte es nicht einmal etwas zu sagen.

„So, jetzt wollen wir aber mal zur Sache kommen!“ erklärte die Bäuerin und hielt ihm seine EC-Karte hin. „Welche Nummer!“

Thomas verstand nicht sofort, was sie wollte. Sein Blick war ununterbrochen auf seine Frau gerichtet, die unter den heftigen Bewegungen des Jungbauern vor und zurückgeworfen wurde. Ihm wurde übel bei diesem Anblick und daher riss er sich endlich davon los. Helfen konnte er seiner Frau sowieso nicht. Zumindest nicht im Moment.

„Was sollen Sie von uns?“ fragte Thomas verzweifelt.

„Die Geheimzahl!“ erklärte der junge Mann keuchend, zwischen zwei besonders kräftigen Stößen.

Jetzt verstand Thomas und schüttelte den Kopf. Das alles nur um ihr Konto zu plündern? Was waren das für Menschen? Soviel war das doch nicht, was sie da erbeuten könnten. Und dafür begingen die einen Mord? Thomas war fassungslos. Aber wenn die so auf das Geld aus waren, war Thomas eine Sache klar: Solange diese Leute die Geheimzahl nicht hatten, würden er und seine Frau vermutlich am Leben bleiben.

Vermutlich! Den Bauern hatte er nicht gesehen. Kein Wunder, der hatte ja auch die ganze Zeit über hinter ihm gestanden.

„Sach!“ knurrte der Alte und brach Thomas ohne eine weitere Androhung von Gewalt den Ringfinger der rechten Hand. Es hatte laut geknackt, aber das hörte Thomas nicht, weil der Schmerz dermaßen stark in sein Hirn strahlte, das es beschloss die Verbindungen von überflüssigen Synapsen zu seiner Großhirnrinde einfach zu trennen. Oder sich anders gesagt aus Selbstschutz abzuschalten.

Das war seine dritte Ohnmacht heute.

*

Diesmal beschloss er einfach nicht wieder aufzuwachen. Thomas wusste intuitiv, dass ihn nur noch weiteres Grauen erwarten würde. Deshalb ließ er die Augen geschlossen und blieb äußerlich betrachtet, so lange er konnte, ohnmächtig.

„Was machen wir mit denen?“ Thomas identifizierte ohne Schwierigkeiten die Stimme des Jungbauern.

„Das Übliche“, antwortete die Bäuerin gelassen. Nach einer kleinen Pause, in der sie wohl zu überlegen schien, fügte sie hinzu: „Gefällt dir wohl die kleine Stute, was?“

Der Jungbauer sagte nichts.

„Ihr seid doch alle gleich“, schimpfte die Bäuerin plötzlich los. „Dein Vater glaubt auch immer wir könnten mal eine von denen behalten. Aber ihr kapiert das einfach nicht: Wenn die uns dann mal abhaut, rennt die doch zur Polizei. Und dann sind wir dran, das ist doch wohl klar!“

„Ist ja schon gut“, knurrte der Jungbauer. „Ich dachte ja nur, irgendwann muss ich ja auch mal eine Frau finden.“

„Du denkst aber nicht mit dem Kopf, Junge“, stellte die Bäuerin klar. „Und du, sag uns jetzt die Geheimzahl!“

Thomas dachte zuerst, sie hätten gemerkt, dass er die Ohnmacht nur vortäuschte und überlegte, ob er überhaupt antworten sollte. Und wenn ja, was?

„1463 und die von meinem Mann ist 6401“, hörte Thomas eine ihm wohlbekannte Stimme. Gott, Karin, jetzt bringen die uns doch um, hätte Thomas am liebsten geschrien. Wie konnte seine Frau nur so dumm sein?! Dann öffnete er doch die Augen. Jetzt würden diese Wahnsinnigen kurzen Prozess mit ihnen machen.

Karin saß auf einem Strohballen nicht weit von ihm. Sie sah beinahe unversehrt aus, wenn man von der blutigen Wunde über ihrem linken Ohr absah. Ansonsten wirkte sie fit. Man sah ihr die Qualen der letzten Stunden kaum an, aber ihr Zustand war der, völliger Verwirrung. Sie hatte sie ans Messer geliefert!

„Die bringen uns um!“ erklärte er seiner Frau, die in diesen Dingen auf unter normalen Bedingungen manchmal etwas begriffsstutzig war.

„Das ist wohl wahr!“ sagte die Bäuerin beinahe belustigt und griff nach der Axt, die an einen der Stützbalken gelehnt war. Sie kam zwei Schritte auf Thomas zu. Doch eine Hand hielt sie am Arm zurück.

„Lass sie das machen!“ sagte der Jungbauer und zeigte mit dem Kopf auf Karin.

„Was? Spinnst du denn? Keine Spielchen!“ erwiderte die Bäuerin energisch. „Mit dem Vieh wird nicht herumgespielt, das weißt du!“

„Nein“, warf der Jungbauer ein. „Wenn sie ihn tötet, dann kann sie nicht mehr zur Polizei! Und wir könnten sie hier behalten!“

Die Bäuerin dachte einen Moment nach.

„Du willst doch sicher irgendwann Enkel, oder“, lenkte der Jungbauer ihre Gedanken in die richtige Ecke. „Und wo sollte ich wohl eine Frau finden, die das hier mitmacht?“

Die Bäuerin sah zum Bauern hinüber. Der stand da, stopfte eine alte, abgegriffene Pfeife und nickte.

„Da ist was dran. Na gut“, gab die Bäuerin nach und ließ die Axt sinken.

„Hör zu!“ sagte der Jungbauer und drehte sich zu Karin um. „Wenn du überleben willst, ist das hier deine Chance.“

Er hielt Karin die Axt hin.

„Bring ihn um, dann gehörst du zu uns.“

Thomas war fassungslos. Seine Frau stand ächzend auf. Offenbar hatte sie doch Einiges abgekriegt. Sie war immer noch völlig nackt und auch in dieser Lage konnte Thomas ihren großen Hintern und ihre kräftigen Schenkel nicht ignorieren. Fast hätte er eine Erektion bekommen. Er mochte halt diese Reiterinnen, aber …

„Karin, du wirst doch nicht ...“

Seine Frau griff wortlos nach der Axt und kam langsam auf ihn zu. Sie schien angestrengt nachzudenken. Vermutlich suchte sie nach einem Ausweg für sie beide.
„Karin, ich bin dein Mann“, erinnerte Thomas seine Frau als unmittelbar vor ihm stand.

Karin schaut zu dem Bauern hinüber, dann zu dem Jungbauern zurück und zum Schluss zu der Bäuerin. In ihrem Kopf mussten die Synapsen ein Feuerwerk der Optionen auslösen.
„Das ist gar nicht so schwer!“ munterte der Jungbauer sie auf.

Karin holte mit der Axt weit aus. Sehr weit!

Jetzt war Thomas klar, was seine Frau vorhatte. Sie würde sich gleich umdrehen und zuerst die Bäuerin erledigen. Die stand ihr am nächsten. Thomas musste darauf vorbereitet sein. Der Bauer stand unmittelbar hinter ihm. Wenn der eingriff, musste er ihn, Ketten hin oder her, irgendwie aufhalten, bis Karin mit dem Jungbauern fertig war.

„Du hättest mich besser beschützen sollen“, sagte seine Frau mit müder Stimme und die Axt sauste herab.

Dass seine Theorie fehlerhaft war, wurde Thomas nicht mehr richtig klar, während ihm die Axt frontal den Schädel spaltete. Sein letzter Gedanke war tatsächlich. „Ich muss dem Bauern ein Bein stellen!“

Karin ließ die Axt los. Sie steckte tief in dem Schädel ihres Mannes und man hätte daran herumrütteln müssen, um sie wieder heraus zu bekommen.

„Sieh an!“, freute sich die Bäuerin. „Wir haben tatsächlich eine Jungbäuerin auf dem Hof!“

Karin dreht sich zu ihr um. Der Heuboden, war hoch, bestimmt 10 Meter. Ob das reichte, wusste Karin nicht.

„Auf diesem Hof, kann es aber nur eine Bäuerin geben“, behauptete sie und stieß mit beiden Händen gegen Marthas riesige Brüste. Die Bäuerin wich zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit einem erstaunten Aufschrei in die Tiefe.

Dann hörte man nur noch einen metallischen Aufschlag und es war Ruhe.

Vorsichtig sah Karin über den Rand des Heubodens hinab. Die Bäuerin lag mehrfach durchbohrt und seltsam verrenkt auf dem Heuwender. Ihre Strickjacke hatte nun noch mehr Löcher als zuvor und ihr zerrissener Rock ließ erkennen, dass das es keinesfalls eine Strumpfhose war, die sie unter den Wollsocken trug. Vielleicht war es der Schock, der Karin grinsen ließ, weil die Bäuerin unter ihrer groben Arbeitskleidung doch tatsächlich Strapse getragen hatte. Egal was jetzt mit ihr passierte, sie musste nur noch lachen, hysterisch, aber lachen.

„Ja spinnst denn du!“ schrie der Jungbauer außer sich. „Was bringst du denn meine Mutter um?!“

Er rannte zur Leiche von Thomas, riss mit zwei, drei kräftigen Bewegungen die Axt aus seinem Schädel. Dann ging damit auf Karin los.

Karin war klar, dass ihr Weg hier enden würde, doch so leicht würde sie sich nicht geschlagen geben. Sie hatte einen eisernen Überlebenswillen. Sie war bereit dafür jeden Preis zu zahlen. Ihr Blick suchte den Boden nach einer verwertbaren Waffe ab. Alles, was sie fand war eine Axt, die direkt vor die Füße gefallen war. Blitzschnell hob sie sie auf. Holte aus und war bereit auf alles Einzuschlagen, war ihr in die Quere kam. Sie war wirklich auf alles gefasst.

Nicht aber darauf, zu sehen, wie der Bauer seinem Sohn mit drei kräftigen Hieben seines Prügels den Kopf einschlug.

„Du dummer Hund!“ rief der Bauer und ließ das blutgetränkte Holz sinken.

„Wenn man die Kinder in die Stadt lässt verlieren sie einfach den Blick für das Wesentliche!“ grunzte er und klopfte seine Pfeife am Stiefelabsatz aus. Anschließend trat er die Glutstücke im Stroh aus und sagte: „Recht so, Mädchen. Läuft nicht immer so, wie geplant. Aber eine Frau braucht nun mal jeder Hof.

Der Bauer sah Karin aufmerksam ins Gesicht, dann grunzte er zufrieden und sagte: „Geh jetzt runter in Wurstküche. Ich bring die drei gleich rein.“

Epilog


Sechs Wochen später hielt ein 7er BMW auf dem alten Hof. Vera war sauer. Auf dem Gestüt und in der unmittelbaren Nähe davon, waren alle Ferienwohnungen belegt gewesen. Aber dann hatten sie glücklicherweise, das handbemalte kleine Holzschild am Wegesrand gesehen. Das Gehöft lag hier zwar etwas abseits, aber dafür war es bestimmt billig.

Der Bauer war alt, hatte schlechte Zähne und erwies sich als äußerst ungesprächig.

„Karin! Gäste!“, rief er in das Halbdunkel des Hausflures und verschwand einfach wieder.

Die Bäuerin war deutlich jünger. Aber sie sah schlampig gekleidet aus. War wahrscheinlich noch nie aus diesem Kaff hier heraus gekommen. Lauter Löcher in der Strickjacke und diese Wollsocken über der Strumpfhose, das ging ja gar nicht, dachte Vera und stapfte in ihren Reitstiefeln hinter der Bäuerin her, die schmale Stiege rauf.

Karin war froh endlich wieder Gäste zu haben. Der Bauer ließ sie ja keine Stunde am Tag unbestückt. Jetzt wusste Karin, warum die Bäuerin einen strapazierfähigen Hüfthalter und Wollsocken über den Nylons und trug. Sollte sich der Bauer doch ein paar Tage zwischen den Reiterschenkeln dieser Stadttussi austoben, die war ja sowieso bald Geschichte.

„Das ist ihr Zimmer!“ sagte Karin mürrisch und trat gegen die Fußleiste der Tür. Wenigsten die könnte der Alte doch mal reparieren.

„Komm Rudi, hier sind richtig“, forderte Vera ihren ewig meckernden und so was von unentschlossenen Gatten auf.

Die Ferienwohnung (107) - © Copyright bei Ingolf Behrens, Hamburg, 2012. Alle Rechte vorbehalten.